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Die radikale MILLA

MILLA ist ein nach den eigenen Worten des Arbeitskreises Zukunft der Arbeit in der CDU/CSU- Bundestagsfraktion radikales Weiterbildungskonzept ¹ und steht für Modulares Interaktives Lebensbegleitendes Lernen für Alle.  Das Konzept verbindet (radikal) viele Dinge, die nicht neu sind, zu einem konzentrierten Konzept. Gut ist, dass bei MILLA die Bildung als die zentrale Maßnahme sieht, um  gegenwärtige gesellschaftliche und ökonomische Herausforderungen gegenüberzutreten. Doch kann eine zentralisierte Verteilung von Inhalten das richtige Vehikel sein, um ein bewegliches Ziel zu erreichen?  Das kann nur funktionieren, wenn der Ansatz der formalen Wissensverteilung Teil eines Ganzen ist.


Die veröffentlichte MILLA-Präsentation (http://stab-zukunftderarbeit.de/wp-content/uploads/2018/11/MILLA_Präsentation.pdf) versteht es zunächst sehr gut, mit Fakten auf den Punkt zu bringen welche Herausforderungen es zu stemmen gilt: 

  • Digitalisierung vernichtet und schafft Arbeitsplätze
  • Tätigkeiten ändern sich fundamental
  • Wissens- und Servicesektoren wachsen stark
  • Kurze und unvorhersehbare Technologiezyklen
  • Berufswege mit vielen Tätigkeitswechseln
  • Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Fachkräftemangel
  • Weiterbildungslücken kosten Milliarden 

MILLA soll auf diese Herausforderungen reagieren, als EINE Plattform mit

  • Online-Lernangeboten,
  • Koordination von Offline-Angeboten
  • Erfassung von Kompetenzen,
  • Bereitstellung eines Berufsnetzwerks.

In Summe stellt MILLA ein Bürger-LMS dar, mit Funktionalitäten, mit denen sich im Jahr 2018 auch ein Corporate LMS rühmen würde.

Passend zu aktuellen Netflexisierungs-Gedanken, spricht das Paper sogar von Skilltainment. Auch Micolearning, Personalisierung, Adaptierbarkeit und Modularisierung haben ihren Auftritt. 

Für den Lerner soll MILLA kostenlos sein. Für Content-Anbieter soll MILLA als Wertschöpfungs-Plattform fungieren: Anbieter werden nach tatsächlicher Nutzung, Relevanz und Bewertung bezahlt. In diesem Aspekt stecken eine Prise Plattformökonomie und digital Business Model - mit beteiligt am Konzept war auch Thomas Heilmann, seines Zeichens Bundestagsabgeordneter mit Werbeagentur-, und (digitaler) Günder-Vergangenheit.


Vision oder Illusion?

Die Zentrale Frage ist: Ist eine zusätzliche Content-Quelle diesen "Ausmaßes" Teil einer Lösung oder ein weiterer Teil des "Problems". Wenn es uns an etwas nicht mangelt, dann sind es Informationen. Oder wie es Christian Friedrich und Bernd Fiedler in ihrem offenen Brief an MILLA ausdrücken: Es gibt bereits eine Plattform für lebenslanges Lernen: das offene Netz.

So wirtschaftsliberal das Content-Geschäftsmodell auch klingen mag, bei der Qualität soll es planwirtschaftlich werden: Die Qualität der Angebote wird fortlaufend staatlich geprüft. Wenn ein Kuratorium ein Portfolio von global-galaktischer Breite kontrollieren soll – human oder humaniod – wird das wohl eine riesengroße Herausforderung, dabei nicht in einen babel'schen Turmbau zu geraten. Während Corporate-LMS bereits zunehmend aufbrechen und zu kooperativen Plattformen für Knowledge Sharing und Community Learning werden, erscheint dieser zentralisierte Ansatz etwas anachronistisch. Netzwerke sorgen dafür, dass Inhalte relevant und wirkungsvoll sind. Lernen funktiert, wenn es (sehr) personalisiert ist. Je größer die Zielgruppe ist, umso schwieriger wird dies. Überspitzt gesagt, hat MILLA eine ganze Gesellschaft zur Zielgruppe. Wer möchte da in der Haut des Learning Designers stecken.

Als Leitfrage drängt sich ebenso auf: kann eine solche formale, monodirektionale Bereitstellung, dem individuellen, volatilen Wissensbedarf der postindustriellen Gesellschaft gerecht werden? MILLA klingt nach Lehrprozess: Lernbdarf wird definiert - Lernmittel wird erstellt - Lerner lernt - Lerner wird zertifiziert - und dann? Doch Lernprozesse erfolgen und wirken in Netzen. Anwendung und Feedback sind Treibstoff. Wissen alleine macht noch keine Kompetenz! 

Abschließend: Ich freue mich, dass MILLA offen für Diskussion und Feedback ist. So veröffentlichte der  Arbeitsstab (Arbeitskreis?) Zukunft der Arbeit auf seiner Webseite Antworten auf Fragen von Ulrich Schmid, die dieser in seinem Blogartikel Drei Fragen an Milla formulierte. Am 12.12.18 findet im Bundestag eine Gesprächsrunde mit Vertretern aus unterschiedlichsten Bereichen statt, um die praktische Umsetzung zu diskutieren. Vielen Dank an Eckart Fischer für diesen Hinweis in der Xing-Gruppe der Corporate Learning Community.

1 Pressemitteilung des Arbeitskreises Zukunft der Arbeit vom 5.11.18, zuletzt aufgerufen am 10.12.2018

Photos by Rob Curran, Ilya Pavlov, rawpixel and Fleur Treurniet on Unsplash.

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