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Die Netflixisierung des Lernens

Warum funktioniert das Netflix-Konzept? Lässt es sich erfolgreich auf ein Lernangebot übertragen?  Vom Netflix of Learning Paradigm  sprach  z.B. kürzlich auch  Josh Bershin in seiner lesenswerten Bestandsaufnahme The Learning Experience Platform (LXP) Market Expands. Technologisch wäre eine solche Annäherung ein Leichtes.

Was steckt im Netflix Paradigma, was kann Learning vom Entertainment lernen?


Würde das Lernen im Netflix-Modus funktionieren, dann könnten wir also gar nicht mehr aufhören mit lernen:

  • Endlich zu Hause. Pizza in den Ofen, auf dem Sofa gemütlich machen und endlich mein Netlearnflix anwerfen. Gibt es neue Folgen für meinen Kurs vom Wochenende? Oder ist was ganz Neues rausgekommen wovon ich noch nie gehört habe?
  • Nach 8 Lerneinheiten schaue ich auf die Uhr und wundere mich, dass es schon so spät ist. Ich muss zwar früh raus, aber sage mir "Na gut alle guten Dinge sind 10".
  • Am nächsten Morgen in der Kaffeeküche im Büro. Zwei Kollegen haben auch den neuen Kurs angefangen und sind genau so begeistert. Ein dritter empfiehlt den höheren Schwierigkeitsgrad. Der war wohl richtig spannend! Der Kollege war gar nicht im Bett. 

Das Netflix Paradigma setzt den mündigen Lerner voraus. Dieser lernt weil er es will –  sei es aus einem dezidierten Lernanlass  heraus oder aus Neugier (eigentlich ja einer der schönsten der Lernanlässe). Im Netflix-Rezept stecken zwei bestimmende Zutaten: Flatrate und Personalisierung.


Flatrate in ihrer reinsten Form

Netflix will es nicht nötig haben, den Kunden über einen langfristigen Vertrag binden zu müssen. Mit kostenlosem Testmonat und monatlicher Kündigungsmöglichkeit setzt man darauf, dass das Angebot überzeugt. Preislich wird dem  Kunden eigentlich kein Grund zum zögern gegeben: ein Monat mit schier unendlichem  Content kostet weniger als eine einzige Kauf- DVD.

Bemerkenswert - spätestens wenn man über eine Transformation des Konzept auf Lern-Content nachdenkt: ohne Mitgliedschaft habe ich erstmal keine Möglichkeit das Programmangebot en detail  einzusehen. Wer möchte das als Lernanbieter mal probieren?

Apropos Preis: Den Preis der hohen Abonnentenzahl bezahlt Netflix aktuell wohl mit Schulden (siehe Infografik brand eins, via Twitter).  


Personalisierung in ihrer reinsten Form

Keine Netflix-Oberfläche wird lange so aussehen, wie die des Nachbarn. Empfehlungen, Listen, Erinnerungen, alles basiert auf dem wofür ich mich interessiert habe, was ich gesehen habe, wie lange ich es gesehen habe, wann, und in welcher Kombination. Selbst eine Suche, die eigentlich sogar ganz zuverlässig funktioniert, tritt in den Hintergrund. Das Netflix Modell  geht davon aus, dass ich nicht weiß, was ich sehen will.  

Das eigene Nutzungsverhalten wiederum tritt dermaßen in den Vordergrund, dass die für andere Nutzer sichtbare Bewertungsfunktion in diesem Jahr sogar abgeschafft wurde. Dabei hatte die Learning Branche hier doch gerade erst mit Nachahmen begonnen. Lernplattformen sollten social werden, durch Rezensionen, Empfehlungen und Likes.    


Freiheit!

Trotz dieses sehr engen Filters, durch den das Angebot zu uns gelangt, ist es die Freiheit mit der wir dann unser Programm bestimmen können, die Netflix erfolgreich macht. 

Und diese Freiheit ist dann auch der Punkt an dem es Sinn macht über eine Transformation in die Lernwelt nachzudenken. Jane Hart fasste das kürzlich schön zusammen – auch wenn ihr Netflix in dem Fall YouTube war  (siehe Jane Art, via Twitter).

Fakt ist, oft werden uns Lernangebote wie ein Fernsehprogramm der 80er Jahre angeboten: wir kommen in eine von drei Zielgruppen und dann gibt es entweder Unterhaltung im Ersten, Ernstes im Zweiten und Wiederholungen im Dritten. 


Ein Spickzettel

 

Ein kleines Cheat Sheet. Was kann sich eine Lernplattform von Netflix abschauen:

  1. Konsequent reduzierte Funktionen und deren Design. Kurzum, ich kann auf Netflix neben der "Bedienung" des Films eigentlich nur eine Hand voll Aktionen ausführen: Suchen, Merken, Liken, Diskliken, Hinzufügen, Entfernen. Sogar das Starten eines Trailers erfordert inzwischen keine Aktion mehr, der legt eingebettet per Mouseover los. Ein gutes Design ist dann gut, wenn man nichts mehr weglassen kann. Aber zählen wir doch mal unsere LMS-Funktionen?
  2. (Auch) durch diese Reduzierung, ist das makellose, responsive Design möglich. 
  3. Minimale Informationen in Textform. Kein Versuch das Nicht-Text-Medium in Worte zu fassen. Lieber schnell an den echten Eindruck kommen.

Photos by Victoria Heath and Charles Deluvio on Unsplash.

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