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Wenn ich mal groß bin

Was möchtest Du mal werden, wenn Du groß bist? – eine Frage die sich für einen Sechsjährigen nicht mehr ehrlich beantworten lässt.  65% der Jobs wird es bis zu seinem Berufseintritt nicht mehr  geben, 47% werden automatisiert sein.  Das sind die eher provokativen Zahlen im Beitrag von Heather McGowan (USA) auf der Online Educa in Berlin. Das bringt Aufmerksamkeit, doch viel interessanter sind ihre pointierten Thesen zum unvermeidbaren Paradigmenwechsel für Lernen und Arbeiten: The future of work is learning.


Education, Carreer and Retire

McGowan sieht Im alten Paradigma  (noch) drei abgegrenzten Phasen: Nach der Ausbildung kommt die Karriere, bestehend aus Jobwechseln, die i.d.R. Schritte auf der Karriereleiter sind. Diese Schritte werden am Gehalt gemessen und im Ruhestand findet die Leiter dann ihr selbstverständliches Ende.


Learn, Leverage, Longevity 

Drei Phasen definiert McGowan auch für die Zukunft.  Aus der der Ausbildung wird ein nicht abschließendes Lernen. Das Erlernte kommt in der Phase Leverage zur Anwendung. Im Gegensatz zu unseren jetzigen Jobs haben wir dann eher kleinteilige und befristete Engagements. (Aus europäischer Sicht ist dieser Schritt dann sicher ein noch größerer, denn schon heute ist unsere Begrifflichkeit des  Berufes etwas anderes als ein amerikanischer Job.) Die Engagements sind nicht mehr auf einer Leiter angeordnet, sondern in einem Web. Erfolgreich ist in diesem Netz, wer anpassungs- und lernfähig ist. In die verlängerte Zeit des Alters reichen die Engagements hinein.

 

Das soll das  Verhältnis von Lernen und Arbeit grundlegend verändern:

Früher haben wir gelernt um uns die Lage zu versetzen zu arbeiten.

Heute müssen wir arbeiten um kontinuierlich lernen zu können. 

 

An dieser Stelle läuft McGowan Gefahr in eine Art wirtschaftsliberale Perspektive auf die Dinge einzunehmen. Habe ich denn ohne Arbeit wirklich keine Gelegenheit mehr zu lernen?  Und was wird aus einer Grundausbildung oder gründlichen Bildung? Nur in Ihrer Zusammenfassung deutet sie eine Reaktion an: natürlich müssen sich die Systeme (Aus-) Bildung und Arbeit an diesen Shift anpassen.  Ihre Forderung nach social and emotional support für den anstehenden Wandel allerdings, klingt zu sehr nach einem notwendigen Zugeständnis.

The American Way of Change

 McGowans Beitrag ist ein sehr amerikanischer. Zu viele der Möglichkeiten werden zudem zu deutlich als zweifelsfreie Fakten dargestellt, diese dann aber konsequent und stringent. Nichtsdestotrotz: im Shift von Lernen und Arbeit steckt die Wahrheit.  Interessant ist es, neben McGowans Shift das Model der perforierten Lebensläufe der deutschen Soziologin Jutta Allmendinger zu legen. Sieht geht erst mal nur einen Schritt: es muss selbstverständlich werden, dass sich im Lebenslauf Lernen und Arbeiten mehr als nur ein Mal abwechseln.  Allmendinger wiederum kann man vorwerfen, dass sie die Phasen zu wenig mischt. Die Wahrheit liegt wie immer... in der Mitte.

Das Fazit von Strg-L: es  reicht nicht zur Vision. Dazu verurteilt uns  McGowan zu sehr zu Passivität und Opfern des Marktes.  


Photo by Eutah Mizushima on Unsplash

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